Satan ruft Schurkenstaat

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Irgendwann wird Washington ein Angebot machen müssen, das Iran nicht zurückweisen kann. Dies könnte die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen, die Freigabe eingefrorener iranischer Guthaben in den USA und eine Unterstützung amerikanischer Direktinvestitionen in Iran enthalten; von entscheidender Bedeutung wäre aber die Aussicht auf Sicherheitsgarantien. Washington müsste dabei nicht mehr anbieten, als es Nordkorea versprochen hat: einem Staat, der im Unterschied zu Iran aus dem Atomwaffensperrvertrag ausgetreten ist, Nuklearwaffen entwickelt und sogar einen nuklearen Waffentest durchgeführt hat. Kann und wird ein solches Angebot Iran davon abbringen, ein der Welt nicht geheures Atomprogramm fortzusetzen? Wir wissen es nicht; Diplomatie heißt aber auch, Möglichkeiten auszuloten. Und es gibt erfolgreiche Präzedenzfälle. Nordkorea hat sich aufgrund einer umfassenden Abmachung unter Beteiligung der USA immerhin dazu verpflichtet, seinen Plutoniumreaktor abzubauen. Vieles spricht dafür, dass Libyens 2003 sein Programm zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen aufgab, nachdem ein »glaubhaftes Angebot von Regimesicherheit« aus Washington und London kam.
Europa wird noch einige Zeit der Hauptgesprächspartner für Iran bleiben. Aber es muss bereit sein, diese Rolle eines Tages an Washington abzutreten. Zweifellos werden die USA nach einer möglichen Normalisierung der amerikanisch-iranischen Beziehungen in Sicherheitsfragen der wesentliche Ansprechpartner für Iran sein. Europa verfügt nicht über den gleichen Einfluss und hat, anders als die USA, praktisch keine militärische Präsenz in der Golfregion. Man muss aber keineswegs befürchten, dass Europa dabei verlieren würde. Die europäischen Staaten und die EU werden weiterhin im Geschäft bleiben, wirtschaftlich wie auch politisch. Eine europäisch-iranische Partnerschaft mit strategischen Dimensionen würde insbesondere die Bereiche Energie, Entwicklungsfragen, Wissenschaft und Technik betreffen. Tatsächlich hat kein anderer Staat in der Region des Persischen Golfes oder des Nahen und Mittleren Ostens ein ähnliches Potenzial. Langfristig wäre Iran mit seiner gut ausgebildeten Bevölkerung, seinen Bodenschätzen, seiner urbanen Tradition und Kultur sowie seiner geopolitischen Position der natürliche Partner Europas in der Region.
Die Europäer sollten sich zudem aktiv darum bemühen, Kommunikationskanäle zwischen Israel und Iran herzustellen. Das wäre in jedem Fall sinnvoll, nicht nur für den Fall, dass Iran tatsächlich eine Nuklearmacht werden sollte. Gegenwärtig gibt es keinen ernsthaften Austausch zwischen Israelis und Iranern; man weiß wenig übereinander, weiß vor allem nicht, was die jeweils andere Seite als »rote Linie« betrachtet, deren Überschreitung durch den einen vom anderen als existenzielle Bedrohung angesehen würde. Um Fehleinschätzungen zu vermeiden, müssten die Mitglieder des militärischen und politischen Establishments beider Staaten aber die strategischen Kalkulationen der jeweils anderen Seite verstehen.
Europa hat seine eigenen Gesprächsfäden mit Iran nie abgeschnitten. Wenn die Europäer weiter im Namen der internationalen Gemeinschaft mit Iran verhandeln wollen, sollten sie einen Weg finden, den geistlichen Führer, Ajatollah Chamenei, direkt anzusprechen. Er, nicht der Präsident oder der Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats, muss schließlich am Ende die strategischen Entscheidungen treffen. Von allen Führern der großen Weltmächte hat bislang nur der ehemalige russische Präsident Putin Chamenei getroffen.
Vieles von dem, was ich hier mit Blick auf die USA und Europa ausgeführt habe, findet, wenn man es etwa in einem Thinktank in Teheran vorträgt, die Zustimmung iranischer Gesprächspartner. Allerdings hat man oft den Eindruck, dass aus iranischer Sicht allein die USA, Europa und vielleicht noch einige andere Großmächte die Verantwortung dafür tragen, ob der Nuklearkonflikt gelöst wird oder nicht. Das Gleiche scheint auch für andere Konflikte zu gelten, in die das Land involviert ist.
Iranische Entscheidungsträger sollten eine solch passive Haltung aufgeben. Wahrscheinlich haben nicht alle Mitglieder des Establishments wirklich verstanden, dass der Aufstieg zum mächtigsten Anrainerstaat des Persischen Golfs auch verantwortliches Verhalten erfordert und Teheran nur so die Legitimität und Akzeptanz erzeugt, die es in seiner regionalen Umgebung gewinnen möchte. Iran könnte auch durch mehr Transparenz mehr Vertrauen schaffen, nicht zuletzt was seine eigenen strategischen Ambitionen betrifft. Warum, fragt man sich, wird zum Beispiel ein so wichtiges Dokument wie die religiöse Lehrmeinung Ajatollah Chameneis zur Atomwaffenfrage nicht veröffentlicht?
Posted on ۱۵:۳۸ by Besharat and filed under | 0 Comments »

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