Verfolgung von Christen im Iran
I. DIE RELIGIöSEN MINDERHEITEN IM IRAN
Im Iran gehört nur 1 % der Bevölkerung religiösen Minderheiten an; 99 % der Iraner sind Moslems. Von den religiösen Minderheiten sind 40 % Christen; 60 % gehören anderen Glaubensrichtungen an (z.B. Baha’i, Zoroaster, Juden). Die orthodoxen Kirchen der Armenier, Assyrer und Chaldäer machen etwa 90 % der christlichen Bevölkerung aus; dies entspricht ca. 250.000 Menschen. Daneben leben 10.000 bis 15.000 protestantische Christen im Iran. Im Iran sind vier Religionen – die Buchreligionen – staatlich anerkannt: der Islam, das Christentum, der Judaismus sowie der Glaube der Zoroaster. Gemäß der Verfassung können Anhänger dieser Religionen ihren Glauben frei praktizieren. In der Realität stellt sich dies jedoch anders dar. Nach der Revolution im Jahre 1979 setzten Verfolgung und Diskriminierung von Angehörigen dieser Minderheiten ein. Dies hatte in den achtziger Jahren eine Abwanderung vor allem armenischer Christen zur Folge. Diese sahen sich durch vielfältige Diskriminierungen und Eingriffe in ihren Glaubensbereich durch den iranischen Staat verfolgt. Hinzu kamen Übergriffe von moslemischer Seite. 1990 begann die Regierung eine neue Kampagne gegen die christliche Kirche.
II. GRUPPENVERFOLGUNG VON CHRISTEN
Eine Gruppenverfolgung der christlichen Minderheit im Iran wurde jedoch in der Rechtsprechung, die sich Ende der achtziger bis etwa zur Mitte der neunziger Jahre vielfach mit dieser Frage beschäftigte, durchgängig verneint. Die Gerichte stellten zwar fest, die Angehörigen der christlichen Minderheit seien dem Verbot ausgesetzt, ihren Glauben über den Kreis ihrer Familie und ihrer Gemeinde hinaus zu propagieren und Versuche zu unternehmen, Moslems zum Christentum zu bekehren. Missionarische Tätigkeit werde als Verstoß gegen allgemein geltende religiöse Grundprinzipien angesehen und als solche verfolgt. Darüber hinaus räumten sie ein, die christlichen Kirchen und Gemeinden seien auch in ihrem eigenen Bereich zum Teil einschneidenden staatlichen Beschränkungen, Reglementierungen und Schikanen unterworfen. Es gebe massive Versuche der iranischen Behörden, auf den Unterrichtsbetrieb in den von Assyrern und Armeniern geführten christlichen Schulen Einfluss zu nehmen. Im Zuge eines mehrmonatigen Streites über Formen und Inhalte des Unterrichts an den christlichen Erziehungsanstalten im Iran seien Mitte der achtziger Jahre armenische Schulen sogar zeitweise geschlossen worden. Iraner christlichen Glaubens seien nach der Revolution aus der staatlichen Verwaltung entfernt worden. Auch heute noch würden Christen im öffentlichen Bereich gegenüber Moslems benachteiligt. Wegen ihrer Nähe zu westlichen Lebensvorstellungen seien die iranischen Christen offenbar auch bevorzugtes Ziel von Spionagevorwürfen, die mitunter auch in gezielte Verfolgung der betreffenden Personen umschlagen könnten. Trotz dieser Tatsachen könne aber von einer allgemeinen, allein an das religiöse Bekenntnis anknüpfenden Verfolgungssituation nicht die Rede sein. Auch unter dem Gesichtspunkt einer in das religiöse Existenzminimum eingreifenden staatlichen oder dem Staate zurechenbaren Verfolgung lasse sich derzeit eine Gruppenverfolgung nicht bejahen. Zwar habe sich der verfassungsrechtliche Minoritätenschutz für die Christen im Iran in der Rechtswirklichkeit nicht in einer weitgehenden Freiheit der religiösen Betätigung niedergeschlagen, wie sie sich etwa aus der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ergebe. Der asylrechtlich allein geschützte Kernbereich der religiösen Überzeugung und Betätigung sei für die Christen im Iran aber grundsätzlich gewahrt; Hessischer VGH, U.v. 27.1.1992 - 13 UE 567/89 -. Die Wahrung des religiösen Existenzminimums wurde nur vereinzelt in Frage gestellt. So sah etwa das VG Stuttgart in der staatlichen Einflussnahme auf christliche Kinder einhergehend mit einer Verfälschung der christlichen Botschaft in ihrem Kern einschließlich des Missionierungsverbots eine Verweigerung des religiösen Existenzminimums; U.v. 4.10.1991 - A 5 K 9571/89 -. Die Verneinung einer Gruppenverfolgung der Christen im Iran wird auch in der neueren Rechtsprechung, die sich mit dieser Frage allerdings kaum noch auseinandersetzt, weiterhin aufrechterhalten; vgl. hierzu für armenische Christen VG Hamburg, U.v. 1.7.1999 - 10 VG A 4371/96 -; und für assyrische Christen VG Bayreuth, U.v. 22.4.1997 - B 6 K 97.30002 -
III. INDIVIDUALVERFOLGUNG VON CHRISTEN
Trotz dieser grundsätzlichen Ablehnung einer Gruppenverfolgung kam es jedoch bis Mitte der neunziger Jahre häufig zu einer Asylanerkennung von Christen aus individuellen Gründen.
1. Rückkehrgefährdung wegen Asylantragstellung i.V.m. Bekenntnis zum Christentum Die Gerichte sahen in dem Bekenntnis zum Christentum einen Umstand, der in Verbindung mit der Asylantragstellung eine beachtliche Rückkehrgefährdung auslöse. Christen würden wegen ihrer religiösen Überzeugung und der daraus folgenden Ablehnung islamischer Glaubens- und Verhaltensregeln als unzuverlässig gelten. Dies stelle bei einer Rückkehr eines Iraners in sein Heimatland in den Augen der iranischen Sicherheitskräfte neben der Asylantragstellung einen zusätzlichen Beweis für eine regimefeindliche Haltung dar; so z.B. OVG Niedersachsen, U.v. 21.1.1991 - 21 L 195/89 -; VG Wiesbaden, U.v. 23.02.1994 - IV/2 E 7858/91 -.
2. Verfolgung missionierender Christen Darüber hinaus geht die Rechtsprechung einhellig davon aus, dass aktive christliche Missionsarbeit im Iran Verfolgung auslöst. Das VG Gelsenkirchen führte hierzu in einem Urteil vom 5.9.1996 aus, missionarische Tätigkeiten seien ausdrücklich verboten und führten zu repressiven Maßnahmen seitens des Staates und zwar – mit Blick auf die vom iranischen Regime praktizierte Vermengung von Religion und Politik – zugleich auch wegen des Verdachtes der Regimegegnerschaft (- 8a K 4661/94.A -). Vor diesem Hintergrund kam es in vielen Fällen zu einer Asylanerkennung aktiver Christen: - Übersetzung von Bibeltexten ins Farsi im Rahmen einer protestantischen Kirchengemeinde, Weiterleitung der Übersetzungen an Gemeindemitglieder aber auch an Nichtchristen sowie Verteilung von Flugblättern zur Aufklärung der wahren Hintergründe über die Ermordung eines christlichen Pfarrers; – VG Gelsenkirchen, U.v. 5.9.1996 - 8a K 4661/94.A –- nachhaltiges Verteilen christlicher Broschüren an Muslime; – VG Köln, U.v. 18.1.1995 - 6 (22 ) K 12585/89 –- Verhör unter Misshandlungen durch das Revolutionskomitee wegen des Vorwurfs der Propaganda für das Christentum und antiislamischer Aktivitäten; – VG Gelsenkirchen, U.v. 14.10.1993 - 5 K 2395 /92.A – - exponierte Stellung in einer kleinen aktiven Kirchengemeinde, christliche Unterrichtung von Kindern; – VG Arnsberg, U.v. 7.1.1997 - 4 K 372 6/95.A – - Teilnahme an den verbotenen Trauerfeierlichkeiten für einen hingerichteten christlichen Priester; VG Münster, U.v. 27.6.1995 - 5 K 4185 /92.A -.
3. Verfolgung aufgrund von Denunziation Das VG Minden kam zu einer stattgebenden Entscheidung hinsichtlich eines Iraners, der in Anknüpfung an seine christliche Überzeugung grundlosen Verdächtigungen einer gegen den Staat gerichteten Spionagetätigkeit durch einen muslimischen Nachbarn ausgesetzt war. Dies führte letztlich zu einem förmlichen Beschlagnahmeverfahren hinsichtlich seines gesamten Vermögens und damit zur Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz; U.v. 16.3.1998 - 1 K 2254/97.A -.
IV. KONVERSION ZUM CHRISTLICHEN GLAUBEN
Während die Asylantragstellung von “geborenen” Christen aus dem Iran seit Mitte der neunziger Jahre zurückgegangen ist, hat die Zahl der Fälle, in denen eine Rückkehrgefährdung wegen Konversion zum Christentum (Apostasie) als Asylgrund geltend gemacht wird, in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Hierbei geht es nur in wenigen Fällen um eine im Iran erfolgte Konversion. Die Ursache dafür, dass zahlreiche Iraner erst in Deutschland zum Christentum konvertieren, wird darin gesehen, dass aus Angst vor Entdeckung und Verfolgung im Iran nur wenige diesen Schritt wagen. Konvertierte Christen werden im Iran durch die staatlichen Organe streng überwacht. Festzustellen ist aber, dass der Frage, ob die Konversion im Iran oder in Deutschland erfolgte, keine entscheidende Bedeutung zugemessen wird. Das VG Ansbach deutet zwar in einem Urteil vom 11.6.1997 an, die Konversion im Ausland lasse ein Bekanntwerden und damit eine Verfolgungsgefahr möglicherweise als weniger beachtlich erscheinen (- AN 9 K 95.36793 -). Letztlich lässt sich eine unterschiedliche Beurteilung der Verfolgungssituation für im Iran Konvertierte einerseits und im Ausland Konvertierte andererseits jedoch nicht feststellen. Die Konversion im Ausland stellt sich allerdings i.d.R. als subjektiver Nachfluchtgrund dar, was zur Anwendung des strengeren Maßstabs einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit führt. Dies spielt eine entscheidende Rolle in Fällen wie z.B. einfacher Apostasie, in denen die Gerichte aufgrund der Gesamtumstände im Iran zwar eine Verfolgungsgefahr nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen vermögen, diese aber jedenfalls nicht für beachtlich wahrscheinlich halten. Das VG Aachen setzt sich in diesem Zusammenhang in einer interessanten Entscheidung vom 30.11.1999 ausführlich und unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerwG mit der Auslegung des Begriffs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit auseinander; - 5 K 3326/95.A -, 14 S., R5175.
1. Staatliche Verfolgung In der Rechtsprechung ist nahezu unbestritten, dass die bloße Konversion als solche nicht geeignet ist, politische Verfolgung auszulösen. Insoweit wird regelmäßig darauf verwiesen, dass nach dem iranischen Strafgesetzbuch der Übertritt vom Islam zum christlichen Glauben nicht mit Sanktionen belegt ist. Eine Verfolgung durch den iranischen Staat komme daher erst dann in Betracht, wenn der Glaubenswechsel bekannt werde und zugleich Aktivitäten des Konvertiten vorlägen, die vom Regime als Angriff auf den Staat angesehen würden. Erst wenn zur Taufe zusätzliche Aktivitäten hinzuträten, die in den Augen des Regimes geeignet seien, den Bestand der Islamischen Republik Iran zu gefährden, sei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr anzunehmen. So könne als Hochverräter bestraft werden, wer exponierte öffentlichkeitswirksame Missionierungsaktivitäten entfalte. Männer können sogar mit Hinrichtung bestraft werden; vgl. hierzu z.B. OVG Niedersachsen, U. v. 26.10. 1999 - 5 L 3180/99 -, 30 S., R5366; VG Frankfurt a.M. U. v. 1.9.2000 - 7 E 31501/97.A (V), 10 S., R8664; VG Mainz, U. v. 20.2.2001 - 7 L 146/01.MZ -, 10 S., M0730.
a) Eigene Missionstätigkeit Keine einheitliche Auffassung besteht zu der Frage, welchen Umfang eine Missionierung annehmen muss, um eine Rückkehrgefährdung auszulösen. Das OVG NRW stellt in dieser Hinsicht sehr hohe Anforderungen. Es vertritt die Auffassung, Apos- taten hätten in der iranischen Lebenswirklichkeit nur dann politische Verfolgung zu erwarten, wenn missionarische Tätigkeit in herausgehobener Position entfaltet werde, die nach außen erkennbar und nachhaltig mit Erfolg ausgeübt werde (B.v. 3.8.1998 - 9 A 1496/98.A -). Das OVG Niedersachsen führt in drei aktuellen Urteilen aus, dass eine einfache Mitgliedschaft in der Kirchengemeinde, die weder mit missionarischer Tätigkeit noch mit Leitungsaufgaben oder anderen hervorgehobenen Funktionen verbunden sei, in der Regel nicht beachtlich wahrscheinlich zu einer Verfolgung führe. Der Senat hob aber hervor, dass jeweils alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen seien, so z.B. bei weniger exponierter Stellung auch zusätzliche exilpolitische Aktivitäten in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen seien. Zur Missionierungstätigkeit stellte der Senat klar, dass ein aktives und offenes Vertreten des christlichen Glaubens gegenüber Moslems noch nicht ausreiche. Hierin sei noch keine Absicht zu erkennen, den Gesprächspartner zum Übertritt zum christlichen Glauben zu bewegen, sondern lediglich eine Rechtfertigung der persönlichen Gewissensentscheidung gegenüber dem Gesprächspartner. Ein solches Auftreten werde von den iranischen Sicherheitsbehörden nicht als hochverratsähnliche Verhaltensweise angesehen. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien bejahte der 5. Senat des OVG Niedersachsen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in folgenden Fällen: Abhalten regelmäßiger Bibelstunden in persischer Sprache für 8-10 muslimische Iraner, wodurch bereits zwei Moslems zum christlichen Glauben bekehrt worden waren, und Taufe der eigenen Tochter; – U.v. 30.1.2001 - 5 L 944/00 -, 18 S., M 1042 – erfolgreiche Missionierung der eigenen und zweier weiterer Familien sowie Zusammenarbeit mit überregional tätigen iranischen Geistlichen evangelischen Glaubens; U.v. 13.3.2001 - 5 L 861/00 -, 15 S., M 1220. Auch massive Missionierung in der Öffentlichkeit, z.B. an regelmäßig abgehaltenen Büchertischen oder Informationsständen – VG Frankfurt a.M., U.v. 1.9.2000 - 7 E 31501/97.A (V) -, 10 S., R8664; VG Ansbach, U.v. 23.7.2001 - AN 18 K 98.33363 -, 12 S., M0936 – sowie öffentliches Bekenntnis zum Christentum im Rahmen herausgehobenen und publizierten Engagements für eine Kinderhilfsaktion – VG Frankfurt a.M., U.v. 10.7.2001 - 7 E 50586/97. A(3) -, 13 S. (unvollständige Vorlage), M1177 – führten zur Gewährung von Abschiebungsschutz. In Fällen eigener aktiver Missionierung in Deutschland gehen die Gerichte davon aus, dass diese Aktivitäten einer größeren Anzahl der hier lebenden Landsleute und damit auch den iranischen Sicherheitsbehörden, die über ihre Auslandsvertretungen ein weitverzeigtes Spitzelsystem unterhalten, bekannt werden; vgl. hierzu VG Frankfurt, U.v. 1.9.2000 - 7 E 31501/ 97.A (V) -, 10 S., R8664; VG Düsseldorf, U.v. 5.6. 1998 - 19 K 1779/95.A -. Die Annahme der Rückkehrgefährdung resultiert in derartigen Fällen also daraus, dass bei einer Rückkehr in den Iran dort bereits entsprechende Erkenntnisse vermutet werden.
b) Zugehörigkeit zu einer missionierenden Kirchengemeinde Geringere Anforderungen an den Umfang und die Exponiertheit der eigenen Missionierung stellt die Rechtsprechung überwiegend in Fällen, in denen die Konvertiten sich solchen Glaubensgemeinschaften angeschlossen haben, zu deren wesentlichen Glaubensinhalten die Missionstätigkeit gehört. Insbesondere für Angehörige von Pfingstgemeinden, die nach ihrem Selbstverständnis zu missionarischer Tätigkeit – unter welchen Lebensumständen auch immer – aufgerufen seien, sei eine Bedrohung für den Fall anzunehmen, dass der Apostat seine neue Religionszugehörigkeit im Iran nicht verheimliche. Die Gerichte verweisen insoweit darauf, dass die traditionellen armenischen Christen sich grundsätzlich einer Missionierung enthalten würden und daher im Iran weitgehend ungestört ihr kulturelles und religiöses Leben gestalten könnten. Aus diesem Konsens seien nur Splittergruppen christlichen Bekenntnisses, sog. freikirchliche evangelische Gemeinden bzw. Pfingstgemeinden ausgebrochen. Deren abweichende Verhaltensweisen führten zu dem Verdacht eines politischen Angriffs auf das iranische System und lösten scharfe Beobachtung und Verfolgung insbesondere derjenigen aus, die als Priester missionierten und als Moslems zum Christentum übergetreten seien. Erheblich gefährdet seien allerdings auch schon Mitglieder dieser kleinen Gemeinschaften;OVG Niedersachsen, U.v. 26.10.1999 - 5 L 3180/99 -, ASYLMAGAZIN 3/2000, S. 26, 30 S., R5366; VG Mainz, B.v. 20.2.2001 - 7 L 146/01.MZ -, 10 S., M0730. Die Gerichtsentscheidungen stellen in diesen Fällen darauf ab, ob damit zu rechnen ist, dass die Betreffenden sich auch nach einer Rückkehr in den Iran zu ihrem Glauben bekennen und welche Folgen dies hätte. Die entscheidende Frage beim Glaubensübertritt im kulturell völlig anders geprägten Ausland stelle sich dahingehend, ob anzunehmen sei, dass der einzelne Betroffene bereit sei, sich den Verfolgungsgefahren auszusetzen. Es komme auf die Annäherung an die beschriebenen kleinen Glaubensgemeinschaften an. Im Falle der Klägerin, die sich einer missionierenden christlich-protestantischen Kirche zugewandt hatte, sei insoweit entscheidungserheblich, ob von ihr – die insoweit im Iran “ein unbeschriebenes Blatt” gewesen sei – eine entsprechende Hinwendung zu diesen Gruppen zu erwarten sei; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 3.4.2001 - 7 A 11797/ 00.OVG -, ASYLMAGAZIN 10/2001, S. 24, 19 S., M1062. In derartigen Fällen wird von den Gerichten häufig zunächst geprüft, ob der Glaubenswechsel einer ernsthaften Gewissensentscheidung entsprungen ist. So ist in diesem Zusammenhang z.B. von glaubwürdig vorgetragener innerer Verpflichtung die Rede oder es wird ausgeführt, der Betreffende habe in der mündlichen Verhandlung für das Gericht nachvollziehbar begründen können, warum er sich für die christliche Religion entschieden habe und was er an der islamischen Lehre kritisiere; VG Ansbach, U.v. 11.6.1997 - AN 9 K 95.36793 - ; VG Frankfurt, U.v. 14.9.1998 - 2 E 50098/97.A -. Gewinnen die Gerichte die Überzeugung, dass ein ernstzunehmender Glaubenswechsel vorliegt, so halten sie die Zugehörigkeit zu einer aktiv missionierenden kleinen freikirchlichen Gemeinde für geeignet, eine Rückkehrgefährdung zu begründen. Nach Ansicht des VG Ansbach reicht dieser Umstand aus, um bei einer Rückkehr in den Iran den Anfangsverdacht einer aktiven missionarischen und damit aus Sicht des iranischen Regimes auch prinzipiell staatsfeindlichen Tätigkeit auszulösen. Diesen Verdacht könne der Betreffende nur durch überzeugendes Abstreiten seiner wirklichen Einstellung wieder zerstreuen. Im zu entscheidenden Fall könne dies dem Kläger aber im Hinblick auf seine glaubwürdig vorgetragene innere Verpflichtung, seinen neu gewonnenen christlichen Glauben zu bekennen und weiterzugeben, nicht abverlangt werden. Angesichts seiner besonderen Persönlichkeitsstruktur, durch die sich der besonders ernsthaft und sensibel wirkende Kläger deutlich von anderen Asylbewerbern in vergleichbarer Lage unterscheide, müsse bei ihm außerdem davon ausgegangen werden, dass er sich bei einer heutigen Rückkehr in den Iran und der dabei zu erwartenden Befragung unausweichlich wegen seiner hier entwickelten religiösen Aktivitäten selbst in Verdacht bringen werde; U. v. 11.6.1997 - AN 9 K 95.36793 -. Auch das VG Aachen bejaht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bei Konvertiten, die missionierenden Gemeinden angehören ohne nennenswerte eigene Missionierungstätigkeit, wenn der Glaubenswechsel als ernsthafte Gewissensentscheidung erscheint; U.v. 30.11.1999 - 5 K 3326/95.A -, 14 S., R5175; U.v. 17.11.1999 - 5 K 2686/95.A -.
c) Religiöses Existenzminimum Das BVerfG beschäftigte sich in einem Beschluss vom 19.12.1994 mit dem Fall eines konvertierten Iraners, für den das VG festgestellt hatte, es fehle bei ihm an einer tiefen religiösen Überzeugung, so dass ihm zuzumuten sei, bei einer Rückkehr in sein Heimatland seine Religionszugehörigkeit zu verschweigen. Der 2. Senat des BVerfG bezeichnete schon als grundsätzlich zweifelhaft, ob eine fehlende tiefe religiöse Überzeugung geeignet sein könne, den Beschwerdeführer auf eine Geheimhaltung seiner Religionszugehörigkeit oder sogar auf einen möglichen Rückübertritt zum Islam zu verweisen. Zum religiösen Existenzminimum führte er aus, ahnde eine ausländische Rechtspraxis, wie für den Fall der Apostasie unterstellt, das religiöse Bekenntnis als solches und könne sich der Glaubensangehörige einer Bestrafung – hier der Todesstrafe – nur entziehen, indem er seine Religionszugehörigkeit leugne und effektiv versteckt halte, sei ihm der elementare Bereich, den er als religiöses Existenzminimum zu seinem Leben- und Bestehenkönnen als sittliche Person benötige, entzogen; - 2 BvR 1426/91- , InfAuslR 1995, 210. Anders beurteilte das OVG Niedersachsen den Fall eines Iraners, der im Iran zum armenischen Christentum konvertiert war und sich in Deutschland einer – nicht missionierenden – evangelischen Kirchengemeinde angeschlossen hatte, ohne in dieser ein besonderes Engagement zu entwickeln. Das religiöse Existenzminimum des Klägers werde durch das Ansinnen, sich nach der Rückkehr in den Iran – wie bereits vor seiner Ausreise – unauffällig zu verhalten, nicht eingeschränkt. Das OVG nahm ausdrücklich Bezug auf den Beschluss des BVerfG, stellte jedoch als Unterschied zu dem dort entschiedenen Fall heraus, dort sei unterstellt worden, dass die Apostasie nach der tatsächlich geübten Rechtspraxis die Todesstrafe nach sich ziehe. Hiervon sei unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnisquellen nicht (mehr) auszugehen. Vielmehr ergebe sich nach der Auskunftslage, dass dem Kläger auch nach Bekanntwerden seiner Konversion eine politische Verfolgung auch unter diesem Gesichtspunkt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht drohe; U.v. 26.10.1999 - 5 L 3180/99 -, ASYLMAGAZIN 3/2000, S. 26, 30 S., R 5366. Auch das OVG NRW ging davon aus, dass das religiöse Existenzminimum für einen Mormonen, der vorgetragen hatte, seine Überzeugung verlange das Reden über seinen Glauben, nach Rückkehr in den Iran durchaus gewahrt sei. Dem Kläger werde nicht angesonnen, seine Religionsausübung oder Religionszugehörigkeit als solche geheim zuhalten, um staatlichen Repressalien zu entgehen. Angesichts der Erkenntnislage sei es aber auszuschließen, dass er bei einer Rückkehr in den Iran staatlicher Verfolgung ausgesetzt sei, wenn er seinen missionarischen Auftrag dahingehend wahrnehme, dass er mit Freunden und Verwandten über seinen Glauben rede; U.v. 29.5.1996 - 9 A 4428/95. A -. Eine differenziertere Auffassung zu dieser Frage vertritt das VG Aachen. Nach Ansicht der 5. Kammer spricht einiges dafür, dass ein Konvertit, wenn er seinen Religionswechsel nicht leugnet oder verheimlicht, auch ohne aktiv zu missionieren, bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt ist. Wenn konkrete Fälle der Verfolgung des bloßen, durch Taufe oder Aufnahme in die andere Glaubensgemeinschaft vollzogenen Glaubenswechsels nur deshalb nicht bekannt seien, weil im Iran ein solcher Glaubenswechsel von den Betroffenen aus Angst vor Verfolgung geheim halten werde, so besage dies nichts gegen das Bestehen der Gefahr. Für das Bestehen einer – und zwar tödlichen – Gefahr spreche, dass auch ohne Kodifizierung eines eigenen Straftatbestandes die Apostasie nach islamischem Verständnis als “Abfall vom Glauben” und damit als todeswürdiges Verbrechen angesehen werde. In einem politisch religiösen Klima, in dem jeder Moslem ermuntert werde, Abtrünnige zu töten, ist nach Auffassung des Gerichts gerade auch unter Berücksichtigung des bedrohten Rechtsgutes – nämlich des Lebens – schon eine höhere Gefahr als nur die abstrakte Möglichkeit asylrechtlich relevanter Verfolgung eines zurückkehrenden Konvertiten anzunehmen; U.v. 30.11.1999 - 5 K 3326/95.A -, 14 S., R5175; vgl. auch U.v. 17.11.1999 - 5 K 2686/95.A -. In beiden Fällen ließ das VG Aachen die Frage, ob vor diesem Hintergrund bereits die Apostasie als solche eine Verfolgungsgefahr auslöse, jedoch letztlich offen, weil jeweils weitere konkrete Umstände hinzutraten, die nach Ansicht des Gerichts ohne Zweifel geeignet waren, eine Rückkehrgefährdung zu begründen.
2. Mittelbare Verfolgung durch Moslems In diversen Urteilen wird erwähnt, dass nach der Auskunftslage ein Konvertit gemäß des Korans von jedem Moslem verfolgt werden kann, wobei der iranische Staat inoffiziell Repressalien durch fanatische Moslems toleriere. Nach allgemeinem islamischem Recht sei jeder Moslem, dem gegenüber ein anderer Moslem sich als Christ bekenne, berechtigt, den Konvertiten zu töten. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob wegen der Konversion die Gefahr besteht, bei Rückkehr Opfer fanatischer Moslems zu werden, ist aber in den wenigsten Entscheidungen enthalten. Das OVG Niedersachsen sieht es nicht als beachtlich wahrscheinlich an, wegen der Konversion Opfer einer von staatlichen Organen mehr oder weniger stillschweigend geduldeten Verfolgung durch Private, halbstaatliche oder religiöse Institutionen zu werden, die ihrer Intensität nach als politische Verfolgung gewertet werden könnte. Für diese Annahme stützt sich der Senat auf Auskünfte des Deutschen Orient Instituts (DOI), nach denen es schon sehr unwahrscheinlich sei, dass sich ein Konvertit nach seiner Rückkehr in den Iran als Christ offenbaren werde. Überdies sei eine Konversion für einen Moslem etwas derart außer Betracht zu Ziehendes, dass man vermutlich einen Glaubensübertritt zunächst als nicht ernst zu nehmen einschätzen würde. Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes seien schließlich in den letzten Jahren nur wenige prominente Fälle bekannt geworden, bei denen der Vorwurf der Apostasie zu entsprechenden Ermordungen geführt habe; U.v. 26.10.1999 - 5 L 3180/90 -, ASYLMAGAZIN 3/2000, S. 26, 30 S., R 5366. Das VG Ansbach stellte im Falle einer missionierenden Konvertitin ohne nähere Begründung fest, neben der beachtlichen Gefahr, Opfer staatlicher Verfolgungsmaßnahmen zu werden, sei die Klägerin bei Rückkehr auch schutzlos den Übergriffen fanatischer Moslems ausgesetzt, so dass es ihr nicht zumutbar sei, in ihr Heimatland zurückzukehren; U.v. 23.7.2001 - AN 18 K 98.33363 -, 12 S., M 0936.
V. EHEN ZWISCHEN CHRISTEN UND MOSLEMS
Auch die Eheschließung zwischen Moslem und Christen kann politische Verfolgung auslösen. Zwar ist die Heirat zwischen Moslems und Nicht-Moslems nicht ausdrücklich unter Strafe gestellt. Eine solche Ehe ist jedoch nach iranischem Recht unzulässig und gilt demnach im Iran als nicht geschlossen. Lebt das Paar dennoch wie ein Ehepaar zusammen und verhält es sich insbesondere in sexuellen Dingen wie ein Ehepaar, so ist dies im Iran als Unzucht strafbar, wobei dem Nichtmuslim eine Bestrafung bis hin zur Todesstrafe droht. Selbst wenn eine konkrete Bestrafung unter dem Gesichtspunkt der Unzucht wegen der praktisch unerfüllbaren Beweisanforderungen nicht zu erwarten sei, so müsse der Nichtmuslim jedoch zumindest eine Bestrafung gem. Art. 101, 102 des tazir-Gesetzes wegen eines Angriffs auf die öffentliche Ordnung befürchten, sei es wegen der strafbaren unerlaubten Handlungen, die noch keine Unzucht (Geschlechtsverkehr) darstellten, sei es wegen öffentlicher Zurschaustellung religiös verbotener Handlungen, nämlich des unerlaubten Verheiratetseins. Unter Berücksichtigung dieser Umstände bejahte das VG Köln den Asylanspruch eines katholischen Christen, der eine Moslemin geheiratet hatte. Da seine Ehefrau im 5. Monat schwanger sei, sei davon auszugehen, dass den iranischen Strafverfolgungsbehörden bei einer Rückkehr die eheliche Lebensgemeinschaft bekannt würde und er damit staatliche Verfolgung von asylrechtsrelevanter Intensität ernsthaft befürchten müsse. Das Gericht betonte hierbei, dass es sich auch um eine politische Verfolgung handele, denn zu der Bestrafung von Unzuchtsdelikten trete eine politische Begründung hinzu. Mehrfach sei von Verantwortlichen des Iran die Nichteinhaltung der Moralvorschriften mit einer Kampfansage an die Islamische Republik, mit Konterrevolution und Imperialismus gleichgesetzt worden. Dem sei zu entnehmen, dass die iranischen Stellen, die Heirat und das Zusammenleben des Klägers mit einer Moslimin als Abkehr von der im Iran herrschenden Gesellschaftsordnung und damit vom iranischen Regime werten würden, die Verfolgungsmaßnahmen also gleichzeitig auf die Bestrafung einer vermuteten abweichenden politischen Gesinnung zielten und somit politische Verfolgung darstellten; U.v. 19.12.1996 - 6 K 13628/89 -. Der Bayerische VGH sah im Falle eines Moslems, der eine Christin geheiratet hatte, auch für diesen aus denselben Gründen die Gefahr einer politischen Verfolgung als gegeben an. Der Senat wies darauf hin, der Ehe des Klägers werde die rechtliche Anerkennung verweigert, solange seine Ehefrau nicht zum Islam übertrete; U.v. 10.3.1993 - 19 BA 92.32480 - ; ähnlich: VG Kassel, U.v. 21.11.1995 - 8 E 9160/91. A (2) -.
Im Iran gehört nur 1 % der Bevölkerung religiösen Minderheiten an; 99 % der Iraner sind Moslems. Von den religiösen Minderheiten sind 40 % Christen; 60 % gehören anderen Glaubensrichtungen an (z.B. Baha’i, Zoroaster, Juden). Die orthodoxen Kirchen der Armenier, Assyrer und Chaldäer machen etwa 90 % der christlichen Bevölkerung aus; dies entspricht ca. 250.000 Menschen. Daneben leben 10.000 bis 15.000 protestantische Christen im Iran. Im Iran sind vier Religionen – die Buchreligionen – staatlich anerkannt: der Islam, das Christentum, der Judaismus sowie der Glaube der Zoroaster. Gemäß der Verfassung können Anhänger dieser Religionen ihren Glauben frei praktizieren. In der Realität stellt sich dies jedoch anders dar. Nach der Revolution im Jahre 1979 setzten Verfolgung und Diskriminierung von Angehörigen dieser Minderheiten ein. Dies hatte in den achtziger Jahren eine Abwanderung vor allem armenischer Christen zur Folge. Diese sahen sich durch vielfältige Diskriminierungen und Eingriffe in ihren Glaubensbereich durch den iranischen Staat verfolgt. Hinzu kamen Übergriffe von moslemischer Seite. 1990 begann die Regierung eine neue Kampagne gegen die christliche Kirche.
II. GRUPPENVERFOLGUNG VON CHRISTEN
Eine Gruppenverfolgung der christlichen Minderheit im Iran wurde jedoch in der Rechtsprechung, die sich Ende der achtziger bis etwa zur Mitte der neunziger Jahre vielfach mit dieser Frage beschäftigte, durchgängig verneint. Die Gerichte stellten zwar fest, die Angehörigen der christlichen Minderheit seien dem Verbot ausgesetzt, ihren Glauben über den Kreis ihrer Familie und ihrer Gemeinde hinaus zu propagieren und Versuche zu unternehmen, Moslems zum Christentum zu bekehren. Missionarische Tätigkeit werde als Verstoß gegen allgemein geltende religiöse Grundprinzipien angesehen und als solche verfolgt. Darüber hinaus räumten sie ein, die christlichen Kirchen und Gemeinden seien auch in ihrem eigenen Bereich zum Teil einschneidenden staatlichen Beschränkungen, Reglementierungen und Schikanen unterworfen. Es gebe massive Versuche der iranischen Behörden, auf den Unterrichtsbetrieb in den von Assyrern und Armeniern geführten christlichen Schulen Einfluss zu nehmen. Im Zuge eines mehrmonatigen Streites über Formen und Inhalte des Unterrichts an den christlichen Erziehungsanstalten im Iran seien Mitte der achtziger Jahre armenische Schulen sogar zeitweise geschlossen worden. Iraner christlichen Glaubens seien nach der Revolution aus der staatlichen Verwaltung entfernt worden. Auch heute noch würden Christen im öffentlichen Bereich gegenüber Moslems benachteiligt. Wegen ihrer Nähe zu westlichen Lebensvorstellungen seien die iranischen Christen offenbar auch bevorzugtes Ziel von Spionagevorwürfen, die mitunter auch in gezielte Verfolgung der betreffenden Personen umschlagen könnten. Trotz dieser Tatsachen könne aber von einer allgemeinen, allein an das religiöse Bekenntnis anknüpfenden Verfolgungssituation nicht die Rede sein. Auch unter dem Gesichtspunkt einer in das religiöse Existenzminimum eingreifenden staatlichen oder dem Staate zurechenbaren Verfolgung lasse sich derzeit eine Gruppenverfolgung nicht bejahen. Zwar habe sich der verfassungsrechtliche Minoritätenschutz für die Christen im Iran in der Rechtswirklichkeit nicht in einer weitgehenden Freiheit der religiösen Betätigung niedergeschlagen, wie sie sich etwa aus der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ergebe. Der asylrechtlich allein geschützte Kernbereich der religiösen Überzeugung und Betätigung sei für die Christen im Iran aber grundsätzlich gewahrt; Hessischer VGH, U.v. 27.1.1992 - 13 UE 567/89 -. Die Wahrung des religiösen Existenzminimums wurde nur vereinzelt in Frage gestellt. So sah etwa das VG Stuttgart in der staatlichen Einflussnahme auf christliche Kinder einhergehend mit einer Verfälschung der christlichen Botschaft in ihrem Kern einschließlich des Missionierungsverbots eine Verweigerung des religiösen Existenzminimums; U.v. 4.10.1991 - A 5 K 9571/89 -. Die Verneinung einer Gruppenverfolgung der Christen im Iran wird auch in der neueren Rechtsprechung, die sich mit dieser Frage allerdings kaum noch auseinandersetzt, weiterhin aufrechterhalten; vgl. hierzu für armenische Christen VG Hamburg, U.v. 1.7.1999 - 10 VG A 4371/96 -; und für assyrische Christen VG Bayreuth, U.v. 22.4.1997 - B 6 K 97.30002 -
III. INDIVIDUALVERFOLGUNG VON CHRISTEN
Trotz dieser grundsätzlichen Ablehnung einer Gruppenverfolgung kam es jedoch bis Mitte der neunziger Jahre häufig zu einer Asylanerkennung von Christen aus individuellen Gründen.
1. Rückkehrgefährdung wegen Asylantragstellung i.V.m. Bekenntnis zum Christentum Die Gerichte sahen in dem Bekenntnis zum Christentum einen Umstand, der in Verbindung mit der Asylantragstellung eine beachtliche Rückkehrgefährdung auslöse. Christen würden wegen ihrer religiösen Überzeugung und der daraus folgenden Ablehnung islamischer Glaubens- und Verhaltensregeln als unzuverlässig gelten. Dies stelle bei einer Rückkehr eines Iraners in sein Heimatland in den Augen der iranischen Sicherheitskräfte neben der Asylantragstellung einen zusätzlichen Beweis für eine regimefeindliche Haltung dar; so z.B. OVG Niedersachsen, U.v. 21.1.1991 - 21 L 195/89 -; VG Wiesbaden, U.v. 23.02.1994 - IV/2 E 7858/91 -.
2. Verfolgung missionierender Christen Darüber hinaus geht die Rechtsprechung einhellig davon aus, dass aktive christliche Missionsarbeit im Iran Verfolgung auslöst. Das VG Gelsenkirchen führte hierzu in einem Urteil vom 5.9.1996 aus, missionarische Tätigkeiten seien ausdrücklich verboten und führten zu repressiven Maßnahmen seitens des Staates und zwar – mit Blick auf die vom iranischen Regime praktizierte Vermengung von Religion und Politik – zugleich auch wegen des Verdachtes der Regimegegnerschaft (- 8a K 4661/94.A -). Vor diesem Hintergrund kam es in vielen Fällen zu einer Asylanerkennung aktiver Christen: - Übersetzung von Bibeltexten ins Farsi im Rahmen einer protestantischen Kirchengemeinde, Weiterleitung der Übersetzungen an Gemeindemitglieder aber auch an Nichtchristen sowie Verteilung von Flugblättern zur Aufklärung der wahren Hintergründe über die Ermordung eines christlichen Pfarrers; – VG Gelsenkirchen, U.v. 5.9.1996 - 8a K 4661/94.A –- nachhaltiges Verteilen christlicher Broschüren an Muslime; – VG Köln, U.v. 18.1.1995 - 6 (22 ) K 12585/89 –- Verhör unter Misshandlungen durch das Revolutionskomitee wegen des Vorwurfs der Propaganda für das Christentum und antiislamischer Aktivitäten; – VG Gelsenkirchen, U.v. 14.10.1993 - 5 K 2395 /92.A – - exponierte Stellung in einer kleinen aktiven Kirchengemeinde, christliche Unterrichtung von Kindern; – VG Arnsberg, U.v. 7.1.1997 - 4 K 372 6/95.A – - Teilnahme an den verbotenen Trauerfeierlichkeiten für einen hingerichteten christlichen Priester; VG Münster, U.v. 27.6.1995 - 5 K 4185 /92.A -.
3. Verfolgung aufgrund von Denunziation Das VG Minden kam zu einer stattgebenden Entscheidung hinsichtlich eines Iraners, der in Anknüpfung an seine christliche Überzeugung grundlosen Verdächtigungen einer gegen den Staat gerichteten Spionagetätigkeit durch einen muslimischen Nachbarn ausgesetzt war. Dies führte letztlich zu einem förmlichen Beschlagnahmeverfahren hinsichtlich seines gesamten Vermögens und damit zur Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz; U.v. 16.3.1998 - 1 K 2254/97.A -.
IV. KONVERSION ZUM CHRISTLICHEN GLAUBEN
Während die Asylantragstellung von “geborenen” Christen aus dem Iran seit Mitte der neunziger Jahre zurückgegangen ist, hat die Zahl der Fälle, in denen eine Rückkehrgefährdung wegen Konversion zum Christentum (Apostasie) als Asylgrund geltend gemacht wird, in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Hierbei geht es nur in wenigen Fällen um eine im Iran erfolgte Konversion. Die Ursache dafür, dass zahlreiche Iraner erst in Deutschland zum Christentum konvertieren, wird darin gesehen, dass aus Angst vor Entdeckung und Verfolgung im Iran nur wenige diesen Schritt wagen. Konvertierte Christen werden im Iran durch die staatlichen Organe streng überwacht. Festzustellen ist aber, dass der Frage, ob die Konversion im Iran oder in Deutschland erfolgte, keine entscheidende Bedeutung zugemessen wird. Das VG Ansbach deutet zwar in einem Urteil vom 11.6.1997 an, die Konversion im Ausland lasse ein Bekanntwerden und damit eine Verfolgungsgefahr möglicherweise als weniger beachtlich erscheinen (- AN 9 K 95.36793 -). Letztlich lässt sich eine unterschiedliche Beurteilung der Verfolgungssituation für im Iran Konvertierte einerseits und im Ausland Konvertierte andererseits jedoch nicht feststellen. Die Konversion im Ausland stellt sich allerdings i.d.R. als subjektiver Nachfluchtgrund dar, was zur Anwendung des strengeren Maßstabs einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit führt. Dies spielt eine entscheidende Rolle in Fällen wie z.B. einfacher Apostasie, in denen die Gerichte aufgrund der Gesamtumstände im Iran zwar eine Verfolgungsgefahr nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen vermögen, diese aber jedenfalls nicht für beachtlich wahrscheinlich halten. Das VG Aachen setzt sich in diesem Zusammenhang in einer interessanten Entscheidung vom 30.11.1999 ausführlich und unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerwG mit der Auslegung des Begriffs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit auseinander; - 5 K 3326/95.A -, 14 S., R5175.
1. Staatliche Verfolgung In der Rechtsprechung ist nahezu unbestritten, dass die bloße Konversion als solche nicht geeignet ist, politische Verfolgung auszulösen. Insoweit wird regelmäßig darauf verwiesen, dass nach dem iranischen Strafgesetzbuch der Übertritt vom Islam zum christlichen Glauben nicht mit Sanktionen belegt ist. Eine Verfolgung durch den iranischen Staat komme daher erst dann in Betracht, wenn der Glaubenswechsel bekannt werde und zugleich Aktivitäten des Konvertiten vorlägen, die vom Regime als Angriff auf den Staat angesehen würden. Erst wenn zur Taufe zusätzliche Aktivitäten hinzuträten, die in den Augen des Regimes geeignet seien, den Bestand der Islamischen Republik Iran zu gefährden, sei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr anzunehmen. So könne als Hochverräter bestraft werden, wer exponierte öffentlichkeitswirksame Missionierungsaktivitäten entfalte. Männer können sogar mit Hinrichtung bestraft werden; vgl. hierzu z.B. OVG Niedersachsen, U. v. 26.10. 1999 - 5 L 3180/99 -, 30 S., R5366; VG Frankfurt a.M. U. v. 1.9.2000 - 7 E 31501/97.A (V), 10 S., R8664; VG Mainz, U. v. 20.2.2001 - 7 L 146/01.MZ -, 10 S., M0730.
a) Eigene Missionstätigkeit Keine einheitliche Auffassung besteht zu der Frage, welchen Umfang eine Missionierung annehmen muss, um eine Rückkehrgefährdung auszulösen. Das OVG NRW stellt in dieser Hinsicht sehr hohe Anforderungen. Es vertritt die Auffassung, Apos- taten hätten in der iranischen Lebenswirklichkeit nur dann politische Verfolgung zu erwarten, wenn missionarische Tätigkeit in herausgehobener Position entfaltet werde, die nach außen erkennbar und nachhaltig mit Erfolg ausgeübt werde (B.v. 3.8.1998 - 9 A 1496/98.A -). Das OVG Niedersachsen führt in drei aktuellen Urteilen aus, dass eine einfache Mitgliedschaft in der Kirchengemeinde, die weder mit missionarischer Tätigkeit noch mit Leitungsaufgaben oder anderen hervorgehobenen Funktionen verbunden sei, in der Regel nicht beachtlich wahrscheinlich zu einer Verfolgung führe. Der Senat hob aber hervor, dass jeweils alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen seien, so z.B. bei weniger exponierter Stellung auch zusätzliche exilpolitische Aktivitäten in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen seien. Zur Missionierungstätigkeit stellte der Senat klar, dass ein aktives und offenes Vertreten des christlichen Glaubens gegenüber Moslems noch nicht ausreiche. Hierin sei noch keine Absicht zu erkennen, den Gesprächspartner zum Übertritt zum christlichen Glauben zu bewegen, sondern lediglich eine Rechtfertigung der persönlichen Gewissensentscheidung gegenüber dem Gesprächspartner. Ein solches Auftreten werde von den iranischen Sicherheitsbehörden nicht als hochverratsähnliche Verhaltensweise angesehen. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien bejahte der 5. Senat des OVG Niedersachsen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in folgenden Fällen: Abhalten regelmäßiger Bibelstunden in persischer Sprache für 8-10 muslimische Iraner, wodurch bereits zwei Moslems zum christlichen Glauben bekehrt worden waren, und Taufe der eigenen Tochter; – U.v. 30.1.2001 - 5 L 944/00 -, 18 S., M 1042 – erfolgreiche Missionierung der eigenen und zweier weiterer Familien sowie Zusammenarbeit mit überregional tätigen iranischen Geistlichen evangelischen Glaubens; U.v. 13.3.2001 - 5 L 861/00 -, 15 S., M 1220. Auch massive Missionierung in der Öffentlichkeit, z.B. an regelmäßig abgehaltenen Büchertischen oder Informationsständen – VG Frankfurt a.M., U.v. 1.9.2000 - 7 E 31501/97.A (V) -, 10 S., R8664; VG Ansbach, U.v. 23.7.2001 - AN 18 K 98.33363 -, 12 S., M0936 – sowie öffentliches Bekenntnis zum Christentum im Rahmen herausgehobenen und publizierten Engagements für eine Kinderhilfsaktion – VG Frankfurt a.M., U.v. 10.7.2001 - 7 E 50586/97. A(3) -, 13 S. (unvollständige Vorlage), M1177 – führten zur Gewährung von Abschiebungsschutz. In Fällen eigener aktiver Missionierung in Deutschland gehen die Gerichte davon aus, dass diese Aktivitäten einer größeren Anzahl der hier lebenden Landsleute und damit auch den iranischen Sicherheitsbehörden, die über ihre Auslandsvertretungen ein weitverzeigtes Spitzelsystem unterhalten, bekannt werden; vgl. hierzu VG Frankfurt, U.v. 1.9.2000 - 7 E 31501/ 97.A (V) -, 10 S., R8664; VG Düsseldorf, U.v. 5.6. 1998 - 19 K 1779/95.A -. Die Annahme der Rückkehrgefährdung resultiert in derartigen Fällen also daraus, dass bei einer Rückkehr in den Iran dort bereits entsprechende Erkenntnisse vermutet werden.
b) Zugehörigkeit zu einer missionierenden Kirchengemeinde Geringere Anforderungen an den Umfang und die Exponiertheit der eigenen Missionierung stellt die Rechtsprechung überwiegend in Fällen, in denen die Konvertiten sich solchen Glaubensgemeinschaften angeschlossen haben, zu deren wesentlichen Glaubensinhalten die Missionstätigkeit gehört. Insbesondere für Angehörige von Pfingstgemeinden, die nach ihrem Selbstverständnis zu missionarischer Tätigkeit – unter welchen Lebensumständen auch immer – aufgerufen seien, sei eine Bedrohung für den Fall anzunehmen, dass der Apostat seine neue Religionszugehörigkeit im Iran nicht verheimliche. Die Gerichte verweisen insoweit darauf, dass die traditionellen armenischen Christen sich grundsätzlich einer Missionierung enthalten würden und daher im Iran weitgehend ungestört ihr kulturelles und religiöses Leben gestalten könnten. Aus diesem Konsens seien nur Splittergruppen christlichen Bekenntnisses, sog. freikirchliche evangelische Gemeinden bzw. Pfingstgemeinden ausgebrochen. Deren abweichende Verhaltensweisen führten zu dem Verdacht eines politischen Angriffs auf das iranische System und lösten scharfe Beobachtung und Verfolgung insbesondere derjenigen aus, die als Priester missionierten und als Moslems zum Christentum übergetreten seien. Erheblich gefährdet seien allerdings auch schon Mitglieder dieser kleinen Gemeinschaften;OVG Niedersachsen, U.v. 26.10.1999 - 5 L 3180/99 -, ASYLMAGAZIN 3/2000, S. 26, 30 S., R5366; VG Mainz, B.v. 20.2.2001 - 7 L 146/01.MZ -, 10 S., M0730. Die Gerichtsentscheidungen stellen in diesen Fällen darauf ab, ob damit zu rechnen ist, dass die Betreffenden sich auch nach einer Rückkehr in den Iran zu ihrem Glauben bekennen und welche Folgen dies hätte. Die entscheidende Frage beim Glaubensübertritt im kulturell völlig anders geprägten Ausland stelle sich dahingehend, ob anzunehmen sei, dass der einzelne Betroffene bereit sei, sich den Verfolgungsgefahren auszusetzen. Es komme auf die Annäherung an die beschriebenen kleinen Glaubensgemeinschaften an. Im Falle der Klägerin, die sich einer missionierenden christlich-protestantischen Kirche zugewandt hatte, sei insoweit entscheidungserheblich, ob von ihr – die insoweit im Iran “ein unbeschriebenes Blatt” gewesen sei – eine entsprechende Hinwendung zu diesen Gruppen zu erwarten sei; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 3.4.2001 - 7 A 11797/ 00.OVG -, ASYLMAGAZIN 10/2001, S. 24, 19 S., M1062. In derartigen Fällen wird von den Gerichten häufig zunächst geprüft, ob der Glaubenswechsel einer ernsthaften Gewissensentscheidung entsprungen ist. So ist in diesem Zusammenhang z.B. von glaubwürdig vorgetragener innerer Verpflichtung die Rede oder es wird ausgeführt, der Betreffende habe in der mündlichen Verhandlung für das Gericht nachvollziehbar begründen können, warum er sich für die christliche Religion entschieden habe und was er an der islamischen Lehre kritisiere; VG Ansbach, U.v. 11.6.1997 - AN 9 K 95.36793 - ; VG Frankfurt, U.v. 14.9.1998 - 2 E 50098/97.A -. Gewinnen die Gerichte die Überzeugung, dass ein ernstzunehmender Glaubenswechsel vorliegt, so halten sie die Zugehörigkeit zu einer aktiv missionierenden kleinen freikirchlichen Gemeinde für geeignet, eine Rückkehrgefährdung zu begründen. Nach Ansicht des VG Ansbach reicht dieser Umstand aus, um bei einer Rückkehr in den Iran den Anfangsverdacht einer aktiven missionarischen und damit aus Sicht des iranischen Regimes auch prinzipiell staatsfeindlichen Tätigkeit auszulösen. Diesen Verdacht könne der Betreffende nur durch überzeugendes Abstreiten seiner wirklichen Einstellung wieder zerstreuen. Im zu entscheidenden Fall könne dies dem Kläger aber im Hinblick auf seine glaubwürdig vorgetragene innere Verpflichtung, seinen neu gewonnenen christlichen Glauben zu bekennen und weiterzugeben, nicht abverlangt werden. Angesichts seiner besonderen Persönlichkeitsstruktur, durch die sich der besonders ernsthaft und sensibel wirkende Kläger deutlich von anderen Asylbewerbern in vergleichbarer Lage unterscheide, müsse bei ihm außerdem davon ausgegangen werden, dass er sich bei einer heutigen Rückkehr in den Iran und der dabei zu erwartenden Befragung unausweichlich wegen seiner hier entwickelten religiösen Aktivitäten selbst in Verdacht bringen werde; U. v. 11.6.1997 - AN 9 K 95.36793 -. Auch das VG Aachen bejaht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bei Konvertiten, die missionierenden Gemeinden angehören ohne nennenswerte eigene Missionierungstätigkeit, wenn der Glaubenswechsel als ernsthafte Gewissensentscheidung erscheint; U.v. 30.11.1999 - 5 K 3326/95.A -, 14 S., R5175; U.v. 17.11.1999 - 5 K 2686/95.A -.
c) Religiöses Existenzminimum Das BVerfG beschäftigte sich in einem Beschluss vom 19.12.1994 mit dem Fall eines konvertierten Iraners, für den das VG festgestellt hatte, es fehle bei ihm an einer tiefen religiösen Überzeugung, so dass ihm zuzumuten sei, bei einer Rückkehr in sein Heimatland seine Religionszugehörigkeit zu verschweigen. Der 2. Senat des BVerfG bezeichnete schon als grundsätzlich zweifelhaft, ob eine fehlende tiefe religiöse Überzeugung geeignet sein könne, den Beschwerdeführer auf eine Geheimhaltung seiner Religionszugehörigkeit oder sogar auf einen möglichen Rückübertritt zum Islam zu verweisen. Zum religiösen Existenzminimum führte er aus, ahnde eine ausländische Rechtspraxis, wie für den Fall der Apostasie unterstellt, das religiöse Bekenntnis als solches und könne sich der Glaubensangehörige einer Bestrafung – hier der Todesstrafe – nur entziehen, indem er seine Religionszugehörigkeit leugne und effektiv versteckt halte, sei ihm der elementare Bereich, den er als religiöses Existenzminimum zu seinem Leben- und Bestehenkönnen als sittliche Person benötige, entzogen; - 2 BvR 1426/91- , InfAuslR 1995, 210. Anders beurteilte das OVG Niedersachsen den Fall eines Iraners, der im Iran zum armenischen Christentum konvertiert war und sich in Deutschland einer – nicht missionierenden – evangelischen Kirchengemeinde angeschlossen hatte, ohne in dieser ein besonderes Engagement zu entwickeln. Das religiöse Existenzminimum des Klägers werde durch das Ansinnen, sich nach der Rückkehr in den Iran – wie bereits vor seiner Ausreise – unauffällig zu verhalten, nicht eingeschränkt. Das OVG nahm ausdrücklich Bezug auf den Beschluss des BVerfG, stellte jedoch als Unterschied zu dem dort entschiedenen Fall heraus, dort sei unterstellt worden, dass die Apostasie nach der tatsächlich geübten Rechtspraxis die Todesstrafe nach sich ziehe. Hiervon sei unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnisquellen nicht (mehr) auszugehen. Vielmehr ergebe sich nach der Auskunftslage, dass dem Kläger auch nach Bekanntwerden seiner Konversion eine politische Verfolgung auch unter diesem Gesichtspunkt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht drohe; U.v. 26.10.1999 - 5 L 3180/99 -, ASYLMAGAZIN 3/2000, S. 26, 30 S., R 5366. Auch das OVG NRW ging davon aus, dass das religiöse Existenzminimum für einen Mormonen, der vorgetragen hatte, seine Überzeugung verlange das Reden über seinen Glauben, nach Rückkehr in den Iran durchaus gewahrt sei. Dem Kläger werde nicht angesonnen, seine Religionsausübung oder Religionszugehörigkeit als solche geheim zuhalten, um staatlichen Repressalien zu entgehen. Angesichts der Erkenntnislage sei es aber auszuschließen, dass er bei einer Rückkehr in den Iran staatlicher Verfolgung ausgesetzt sei, wenn er seinen missionarischen Auftrag dahingehend wahrnehme, dass er mit Freunden und Verwandten über seinen Glauben rede; U.v. 29.5.1996 - 9 A 4428/95. A -. Eine differenziertere Auffassung zu dieser Frage vertritt das VG Aachen. Nach Ansicht der 5. Kammer spricht einiges dafür, dass ein Konvertit, wenn er seinen Religionswechsel nicht leugnet oder verheimlicht, auch ohne aktiv zu missionieren, bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt ist. Wenn konkrete Fälle der Verfolgung des bloßen, durch Taufe oder Aufnahme in die andere Glaubensgemeinschaft vollzogenen Glaubenswechsels nur deshalb nicht bekannt seien, weil im Iran ein solcher Glaubenswechsel von den Betroffenen aus Angst vor Verfolgung geheim halten werde, so besage dies nichts gegen das Bestehen der Gefahr. Für das Bestehen einer – und zwar tödlichen – Gefahr spreche, dass auch ohne Kodifizierung eines eigenen Straftatbestandes die Apostasie nach islamischem Verständnis als “Abfall vom Glauben” und damit als todeswürdiges Verbrechen angesehen werde. In einem politisch religiösen Klima, in dem jeder Moslem ermuntert werde, Abtrünnige zu töten, ist nach Auffassung des Gerichts gerade auch unter Berücksichtigung des bedrohten Rechtsgutes – nämlich des Lebens – schon eine höhere Gefahr als nur die abstrakte Möglichkeit asylrechtlich relevanter Verfolgung eines zurückkehrenden Konvertiten anzunehmen; U.v. 30.11.1999 - 5 K 3326/95.A -, 14 S., R5175; vgl. auch U.v. 17.11.1999 - 5 K 2686/95.A -. In beiden Fällen ließ das VG Aachen die Frage, ob vor diesem Hintergrund bereits die Apostasie als solche eine Verfolgungsgefahr auslöse, jedoch letztlich offen, weil jeweils weitere konkrete Umstände hinzutraten, die nach Ansicht des Gerichts ohne Zweifel geeignet waren, eine Rückkehrgefährdung zu begründen.
2. Mittelbare Verfolgung durch Moslems In diversen Urteilen wird erwähnt, dass nach der Auskunftslage ein Konvertit gemäß des Korans von jedem Moslem verfolgt werden kann, wobei der iranische Staat inoffiziell Repressalien durch fanatische Moslems toleriere. Nach allgemeinem islamischem Recht sei jeder Moslem, dem gegenüber ein anderer Moslem sich als Christ bekenne, berechtigt, den Konvertiten zu töten. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob wegen der Konversion die Gefahr besteht, bei Rückkehr Opfer fanatischer Moslems zu werden, ist aber in den wenigsten Entscheidungen enthalten. Das OVG Niedersachsen sieht es nicht als beachtlich wahrscheinlich an, wegen der Konversion Opfer einer von staatlichen Organen mehr oder weniger stillschweigend geduldeten Verfolgung durch Private, halbstaatliche oder religiöse Institutionen zu werden, die ihrer Intensität nach als politische Verfolgung gewertet werden könnte. Für diese Annahme stützt sich der Senat auf Auskünfte des Deutschen Orient Instituts (DOI), nach denen es schon sehr unwahrscheinlich sei, dass sich ein Konvertit nach seiner Rückkehr in den Iran als Christ offenbaren werde. Überdies sei eine Konversion für einen Moslem etwas derart außer Betracht zu Ziehendes, dass man vermutlich einen Glaubensübertritt zunächst als nicht ernst zu nehmen einschätzen würde. Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes seien schließlich in den letzten Jahren nur wenige prominente Fälle bekannt geworden, bei denen der Vorwurf der Apostasie zu entsprechenden Ermordungen geführt habe; U.v. 26.10.1999 - 5 L 3180/90 -, ASYLMAGAZIN 3/2000, S. 26, 30 S., R 5366. Das VG Ansbach stellte im Falle einer missionierenden Konvertitin ohne nähere Begründung fest, neben der beachtlichen Gefahr, Opfer staatlicher Verfolgungsmaßnahmen zu werden, sei die Klägerin bei Rückkehr auch schutzlos den Übergriffen fanatischer Moslems ausgesetzt, so dass es ihr nicht zumutbar sei, in ihr Heimatland zurückzukehren; U.v. 23.7.2001 - AN 18 K 98.33363 -, 12 S., M 0936.
V. EHEN ZWISCHEN CHRISTEN UND MOSLEMS
Auch die Eheschließung zwischen Moslem und Christen kann politische Verfolgung auslösen. Zwar ist die Heirat zwischen Moslems und Nicht-Moslems nicht ausdrücklich unter Strafe gestellt. Eine solche Ehe ist jedoch nach iranischem Recht unzulässig und gilt demnach im Iran als nicht geschlossen. Lebt das Paar dennoch wie ein Ehepaar zusammen und verhält es sich insbesondere in sexuellen Dingen wie ein Ehepaar, so ist dies im Iran als Unzucht strafbar, wobei dem Nichtmuslim eine Bestrafung bis hin zur Todesstrafe droht. Selbst wenn eine konkrete Bestrafung unter dem Gesichtspunkt der Unzucht wegen der praktisch unerfüllbaren Beweisanforderungen nicht zu erwarten sei, so müsse der Nichtmuslim jedoch zumindest eine Bestrafung gem. Art. 101, 102 des tazir-Gesetzes wegen eines Angriffs auf die öffentliche Ordnung befürchten, sei es wegen der strafbaren unerlaubten Handlungen, die noch keine Unzucht (Geschlechtsverkehr) darstellten, sei es wegen öffentlicher Zurschaustellung religiös verbotener Handlungen, nämlich des unerlaubten Verheiratetseins. Unter Berücksichtigung dieser Umstände bejahte das VG Köln den Asylanspruch eines katholischen Christen, der eine Moslemin geheiratet hatte. Da seine Ehefrau im 5. Monat schwanger sei, sei davon auszugehen, dass den iranischen Strafverfolgungsbehörden bei einer Rückkehr die eheliche Lebensgemeinschaft bekannt würde und er damit staatliche Verfolgung von asylrechtsrelevanter Intensität ernsthaft befürchten müsse. Das Gericht betonte hierbei, dass es sich auch um eine politische Verfolgung handele, denn zu der Bestrafung von Unzuchtsdelikten trete eine politische Begründung hinzu. Mehrfach sei von Verantwortlichen des Iran die Nichteinhaltung der Moralvorschriften mit einer Kampfansage an die Islamische Republik, mit Konterrevolution und Imperialismus gleichgesetzt worden. Dem sei zu entnehmen, dass die iranischen Stellen, die Heirat und das Zusammenleben des Klägers mit einer Moslimin als Abkehr von der im Iran herrschenden Gesellschaftsordnung und damit vom iranischen Regime werten würden, die Verfolgungsmaßnahmen also gleichzeitig auf die Bestrafung einer vermuteten abweichenden politischen Gesinnung zielten und somit politische Verfolgung darstellten; U.v. 19.12.1996 - 6 K 13628/89 -. Der Bayerische VGH sah im Falle eines Moslems, der eine Christin geheiratet hatte, auch für diesen aus denselben Gründen die Gefahr einer politischen Verfolgung als gegeben an. Der Senat wies darauf hin, der Ehe des Klägers werde die rechtliche Anerkennung verweigert, solange seine Ehefrau nicht zum Islam übertrete; U.v. 10.3.1993 - 19 BA 92.32480 - ; ähnlich: VG Kassel, U.v. 21.11.1995 - 8 E 9160/91. A (2) -.
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